Vermögenskonzentration verschärft sich mit der Krise

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Dieser Artikel ist am Blog A&W erschienen


Die gesellschaftliche Schieflage bezüglich der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen ist auch in Österreich kein Geheimnis mehr. Durch die 2007 ausgebrochene Wirtschaftskrise stellt sich die Frage, inwiefern unterschiedliche sozio-ökonomische Gruppen von der Krise betroffen waren und wie sich die Vermögens- und Verschuldungssituation österreichischer Haushalte seither entwickelt hat. Es drängt sich auch die Frage auf, ob angesichts fehlender Besteuerung von Vermögen und der zu Beginn der Krise abgeschafften Erbschaftssteuer die Verteilung der Vermögen noch ungleicher geworden ist, kann doch davon ausgegangen werden, dass Haushalte unterschiedlich hohe Gewinne und Verluste zu verbuchen hatten. Wie sich die Vermögensverteilung in Österreich seit Ausbruch der Krise verändert hat, kann derzeit nur spekuliert werden. Neue Daten aus den USA zeigen jedoch: die ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen spitzt sich zu und besonders die reichsten Haushalte konzentrieren einen immer größeren Teil des Gesamtvermögens auf sich.

Die Österreichische Nationalbank erhob 2010 erstmals umfassend Daten zur finanziellen Situation der österreichischen Haushalte. In den USA besteht hinsichtlich der Erhebung von Daten über das Nettovermögen der amerikanischen Haushalte bereits eine längere Tradition. Informationen über Haushaltseinkommen sowie das Nettovermögen und dessen Zusammensetzung werden im Rahmen des Survey of Consumer Finances (SCF) bereits seit 1989 im 3-Jahres Rhythmus erhoben. Der umfassende Datensatz ermöglicht nicht nur eine Analyse der Vermögensverteilung über Haushalte hinweg, sondern auch die Betrachtung der Veränderung im Zeitablauf. Kürzlich hat die FED die ersten Ergebnisse der Erhebung des Jahres 2013 veröffentlicht. Informationsgehalt besonderer Art enthält dieser Bericht, da erstmals die Veränderung der Vermögens- und Einkommensverteilung seit der Krise analysiert und in einen breiten historischen Kontext gestellt werden kann. Dreierlei geht aus dem Bericht deutlich hervor: erstens profitierten nicht alle gleichermaßen vom leichten Wirtschaftsaufschwung nach der Krise, zweitens sind die Schulden der amerikanischen Haushalte gesunken, mit Ausnahme der Verschuldung zu Bildungszwecken, welche rasant ansteigt und drittens nimmt die Konzentration der Einkommen und Vermögen zu.

Pikettys Thesen werden bestätigt

Thomas Piketty beschreibt in seiner Verteilungsbibel „Capital in the 21st Century“ eindrucksvoll, dass steigende Ungleichheit eine dem Kapitalismus inhärente Tendenz ist und die Verteilung der Einkommen und Vermögen nicht nur, wie so oft behauptet, ein Ergebnis der individuellen Leistungen und Anstrengungen ist. Der Bericht der FED scheint im Großen und Ganzen Pikettys These zu bestätigen. Die ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen hat sich in den USA während der Krisenjahre (2007-2010) etwas abgeschwächt, die FED-Daten zeigen aber nun wieder einen Trend der Umverteilung von unten nach oben. Seit 2010 hat sich besonders die Einkommens- und Vermögenssituation der unteren Hälfte und der Mitte der US-amerikanischen Gesellschaft negativ entwickelt. Die Vermögen und Einkommen der wohlhabendsten AmerikanerInnen sind hingegen überproportional gestiegen.

Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen nimmt zu

Zwischen 2007 und 2010 sind sowohl die Durchschnitts- als auch Medianeinkommen gesunken, Einkommensrückgänge waren über die gesamte Verteilung hinweg zu verzeichnen. Die Haushalte, die sich in den Top-10 % der Einkommensverteilung wiederfinden, waren in Bezug auf ihr Einkommen besonders stark von der Krise betroffen und hatten den stärksten Einkommensrückgang (-15 % von 2007 bis 2010) zu verzeichnen. 2013 konnten relativ zum Vergleichsjahr 2010 aber lediglich die Top 10 % Zugewinne beim Einkommen verbuchen, die Einkommen der unteren Hälfte sind obendrein weiter gesunken. In Summe zeigt sich, dass die Einkommensverteilung 2010 ein wenig gleicher war als 2007 oder auch 2013. Die gleichere Verteilung der Einkommen 2010 im Vergleich zu 2013 ist laut der FED-Studie primär Resultat des Rückgangs der Einkommen der Top 10 % und damit eine kurzfristige Abweichung vom Trend steigender Ungleichheit. Dass Einkommen im Jahr 2010 in den USA gleicher verteilt waren als 2013 muss also im Kontext generell sinkender Einkommen gesehen werden, wovon jedoch verschiedene Bevölkerungsschichten unterschiedlich stark betroffen sind.

Zwischen 2007 und 2010 ist auch das Nettovermögen über die gesamte Verteilung hinweg gesunken, im Gegensatz zum Einkommen waren die unteren 50 % besonders stark von der Krise betroffen. Während der letzten drei Jahre hat sich das Niveau des Nettovermögens in den USA kaum verändert und einzig die reichere Hälfte konnte Zuwächse im Nettovermögen verzeichnen. Der Vermögenskuchen ist also zwischen 2007 und 2013 nicht gewachsen, ein immer größeres Stück davon geht jedoch an die SpitzenverdienerInnen.

Die Position, die ein Haushalt in der Nettovermögensverteilung einnimmt, ist wesentlich davon abhängig, ob ein Haushalt seinen Hauptwohnsitz im Eigentum hält. 2013 konnten 50 % der amerikanischen Haushalte ihren Hauptwohnsitz auch als einen Teil ihres Vermögens bezeichnen, betrachtet man lediglich die oberen 10 % der Verteilung, so steigt der Anteil der EigenheimbesitzerInnen auf 93,5 %. Die Entwicklung der Vermögensverteilung wird zudem von 2 Preistrends bestimmt: erstens dem Hauspreisindex der zwischen 2010 und 2013 einen jährlichen Wertzuwachs von 2 % aufwies und zweitens, den Wertveränderungen von Unternehmensbeteiligungen, deren Besitz wiederum in den oberen Dezilen der Verteilung konzentriert ist und deren Wert zwischen 2010 und 2013 jährlich um mehr als 10 % angestiegen ist. Dieser Unterschied in der Entwicklung der Preise, kombiniert mit der ungleichen Verteilung einzelner Vermögenspositionen hat die Veränderung der Vermögensverteilung zwischen 2010 und 2013 wesentlich mitbestimmt.

Das Nettovermögen als solches ist definiert als Bruttovermögen abzüglich der Schulden. Befasst man sich mit der Verteilung des Nettovermögens, so muss auch die Verteilung von Verschuldungspositionen ins Auge fassen. Der Anteil der Haushalte mit Schulden ist in den USA von 74,9 % (2010) auf 74,4 % (2013) minimal zurückgegangen. Der Rückgang der verschuldeten Haushalte ergibt sich aus dem kontinuierlichen Rückgang der mit Immobilien besicherten Verschuldung und nur zu einem geringen Grad aus dem sinkenden Anteil der Eigenheimbesitzerinnen. Dramatisch gestiegen ist jedoch die für Bildungszwecke aufgenommene Verschuldung. Hatten sich 2001 22,4 % der Haushalte für Bildung verschuldet, waren es 2013 beinahe 40 %. Drei Viertel dieser Verschuldungskomponente werden von Haushalten, in denen zumindest ein Haushaltsmitglied über einen Bachelorabschluss verfügt, gehalten.

Top-Vermögen und Spitzeneinkommen ziehen davon

In der Forschung aber auch der öffentlichen Debatte haben in letzter Zeit die Top-1 % der Vermögens- und Einkommensverteilung Aufmerksamkeit erregt. Die Daten der FED zeigen, dass sich im Jahr 2013 das Vermögen sowie Einkommen von wohlhabenden Familien auf einem historischen Hoch befindet. Die stärksten Zugewinne waren auf die oberen paar Prozent konzentriert, und das obwohl weder bei Gesamteinkommen noch beim Gesamtvermögen wieder die Niveaus von 2007 erreicht wurden. Es ist aber nicht allein das reichste Prozent, das besonders von der systematischen Umverteilung profitiert, laut FED sind es eher die obersten Prozente.

Die beiden folgenden Grafiken zeigen den Anteil, den die Top 3% und die unteren 90 % der Verteilung vom gesamten Einkommen und Vermögen besitzen. Bei Vermögen als auch Einkommen zeigt sich, dass der Anteil der Top 3% kontinuierlich steigt und jener der unteren 90 % stetig sinkt. In den drei Jahren nach Ausbruch der Krise, kehrte sich der Trend der steigenden Ungleichheit kurzfristig um, langfristig gesehen war dies jedoch nur eine Ausnahmeperiode, die von der tiefsten wirtschaftlichen Krise seit beinahe 100 Jahren verursacht wurde.

Die Österreichische Nationalbank erhebt derzeit die zweite Welle des Household Finance and Consumption Survey. Dann kann auch analysiert werden, wie sich die Krise auf die Einkommens- und Vermögenssituation verschiedener Gruppen in Österreich ausgewirkt hat.